Bürgermeisterwahl 2017

Lothar Nuthmann

Lothar Nuthmann

Bürgermeisterkandidat Bündnis90/DieGrünen

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Interview

Herr Nuthmann, wie sind Sie eigentlich zur Kommunalpolitik gekommen?

LN: Ich war schon in meiner Jugend politisch sehr interessiert.

Und warum Die Grünen?

LN: 1983, da war ich 29 Jahre alt, gab es hier eine Veranstaltung der Grünen. 1984 kam dann die vorgezogene Bundestagswahl und anschließend die Kommunalwahl. Im Dezember 83 haben sieben Heiligenhauser unter anderem Duffy Langmesser und ich den grünen Ortsverband gegründet.

Wie ging es weiter?

LN: 1984 sind Die Grünen erstmals in den Bundestag eingezogen und Die Grünen sind in Heiligenhaus mit einem Ergebnis von mehr als 10% mit mir als Fraktionsvorsitzendem in den Heiligenhauser Stadtrat eingezogen.

Das haben sie dann bis 1994 gemacht. Was haben sie dabei erreicht?

LN: Erst mal Lehrgeld bezahlt.

Warum?

LN: Nun, weil Politik auch auf kommunaler Ebene leider nicht so funktioniert, dass man nur gute Ideen einbringen muss, die dann einfach umgesetzt werden.

Sondern?

LN: Da gibt es ganz viele Bedenkenträger, Interessenvertreter und viel Klüngel hinter den Kulissen. Dazu kommt, Parteipolitiker lehnen reflexartig erst mal alles ab, was nicht von ihnen kommt.

Sie hatten also gar kein Erfolgserlebnis?

LN: Doch! In der ersten Wahlperiode von 1984-89 wollten CDU und FDP mit Hilfe des damaligen CDU-Stadtdirektors die eigene Wassergewinnung zu Gunsten der weiteren Verunreinigung durch heimische Industriebetriebe aufgeben. Ich war damals glücklicherweise Vorsitzender des Werksausschusses – heute heißt das Aufsichtsrat Stadtwerke – und konnte durch das so gewonnene Fachwissen verhindern, dass begünstigte Betriebsinhaber von in der Wasserschutzzone gelegenen Produktionsstandorten, die gleichzeitig im Stadtrat saßen, mit abstimmten.

Was hatte das zur Folge?

LN: CDU und FDP hatten keine Mehrheit mehr und unser eigenes Heiligenhauser Wasser war gerettet.

Könnte das heute wieder passieren?

LN: CDU und FDP beweisen immer wieder, dass Sie Ökonomie vor Ökologie stellen würden.

Frage: In der zweiten Wahlperiode gab es auch ein Erfolgserlebnis?

LN: In der zweiten Wahlperiode von 1989-1994 sind Die Grünen gestärkt ins Stadtparlament eingezogen auch durch die Wasserrettung und es gab das erste Mal in der Heiligenhauser Stadtgeschichte eine Mehrheit jenseits von CDU und FDP. Da haben Die Grünen zusammen mit der SPD, ich war glücklicherweise gerade Schulausschussvorsitzender, die Gründung der Gesamtschule durchgesetzt, was, wie man heute, 20 Jahre später, sieht, eine sehr erfolgreiche und gute Entscheidung war.

Dann haben sie 15 Jahre pausiert?

LN: Zumindest was die Politik im Rat betrifft. Es gab damals mehrere Gründe warum ich mich zurückgezogen habe. Da wären als erstes meine beiden Söhne, die 1982 und 1984 geboren wurden, zu nennen, die damals in ein Alter kamen, wo ich mich mehr um sie kümmern wollte. Hinzu kam eine gewisse Politikmüdigkeit, bedingt durch die ewigen Kämpfe, die damals auch intern bei den Heiligenhauser Grünen ausbrachen. Zum anderen wollte ich mich mehr für Fahrradpolitik engagieren.

2009 sind sie dann wieder in die Kommunalpolitik eingestiegen. Warum?

LN: Es war wieder Duffy Langmesser, der mich ansprach und mit einigen Leuten zusammenbrachte mit denen wir dann die Wählervereinigung WAHL (WahlAlternativeHeiligenhauserListe) gründeten und auf Anhieb mit 13,9% in den Stadtrat einzogen.

Aber sie waren doch weiterhin Mitglied Der Grünen?

LN: Ja, ich habe sogar versucht, dass wir statt als WAHL als Die Grünen antreten, konnte mich damit aber nicht durchsetzen.

Und das hat funktioniert?

LN: Ja, man hat akzeptiert, dass ich die grünen Positionen vertrete und ich habe akzeptiert, dass wir z.B. beim Thema A44 nicht auf eine Position kommen.

Und jetzt wollen sie Bürgermeister von Heiligenhaus werden?

LN: So ist es!

Fühlen sie sich denn dazu in der Lage?

LN: Sie meinen, ob ich dafür überhaupt qualifiziert bin? Ich habe mich natürlich damit beschäftigt, was da alles auf mich zukommt und welche Verantwortung ich da zu tragen hätte.

Und was war das Ergebnis Ihrer Überlegungen?

LN: Zunächst einmal habe ich in den letzten fünf Jahren mit zahlreichen Mitarbeitern der Stadtverwaltung zu tun gehabt und konnte feststellen, dass die allermeisten gute Arbeit leisten, eine qualifizierte Ausbildung haben und sich loyal zu ihren Vorgesetzten verhalten. Somit wäre gewährleistet, dass die Verwaltung grundsätzlich auch ohne Bürgermeister funktionsfähig bleibt.

Das heißt das Amt des Bürgermeisters ist überflüssig?

LN: Nein natürlich nicht. Es ergibt sich ja schon aus der Gemeindeordnung NRW, dass eine Stadt das Amt der Bürgermeisterin / des Bürgermeisters besetzen muss, um handlungsfähig zu sein. Alle offiziellen Briefe erhalten als Absenderangabe „Die/Der BürgermeisterIn der Stadt“. Ich will damit ausdrücken und das ergibt sich eben auch aus der Gemeindeordnung, dass es nicht erforderlich ist z.B. Jura studiert zu haben, um dieses Amt ausüben zu können, weil Bürgermeister/Innen kommen und gehen, die Verwaltungsmitarbeiter aber trotzdem ihre Arbeit machen.

Dann ist es doch eigentlich egal, wer Bürgermeister ist?

LN: Nein! Bürgermeister/Innen sind Vorsitzende des Rates einer Stadt und haben eine eigene Stimme. Sie leiten die Verwaltung und sind weisungsbefugt. Sie bestimmen, was wann öffentlich wird, sie sind bis auf wenige Ausnahmen für die Organisation der Verwaltung zuständig – also dafür, wer was macht. Sie haben eine enorme Machtfülle, die sie im guten wie im schlechten Sinn anwenden können.

Und Sie meinen, dies besser zu können als z.B. der Beigeordnete Beck, der zurzeit den nicht mehr vorhandenen Bürgermeister als Verwaltungschef vertritt und seit 13 Jahren in der Stadtverwaltung als Beigeordneter tätig ist.?

LN: Ja natürlich, sonst würde ich mich ja nicht bewerben! Beck ist wie Heinisch ein CDU-Mann, der in den 13 Jahren, obwohl er das als Beigeordneter hätte tun können, dem Bürgermeister nie widersprochen hat oder eine gegensätzliche Meinung vertreten hat. Es würde sich also nichts ändern. Ein zweites Manko sehe ich darin, dass er kein Bürger dieser Stadt ist. Der „Meister“ aller BürgerInnen sollte Teil der Bürgerschaft sein und nicht seinen Lebensmittelpunkt in Solingen haben.

Was würden Sie denn anders machen?

LN: Nun ich bin z.B. im Gegensatz zu ihm der Meinung, dass sich eine Stadt wie Heiligenhaus nicht zusätzlich zwei Beigeordnetenstellen leisten sollte. Die Kosten von ca. 500.000 Euro pro Jahr kann man sich sparen und anderweitig besser verwenden.

Es wird aber doch behauptet, dass man ohne Beigeordnete keine Stadt führen kann.

LN: Das Gegenteil ist der Fall. Das beweisen doch auch größere Städte seit Jahrzehnten.

Wofür würden Sie denn das gesparte Geld einsetzen?

LN: Ich werde mich dafür einsetzen alle freiwilligen Leistungen für Institutionen, die für die Infrastruktur einer lebenswerten Stadt wichtig sind, dauerhaft auf ein festes finanzielles Fundament zu stellen.

Was wäre das zum Beispiel?

LN: Das Heljensbad, der CLUB, die Bücherei, die Musikschule, das Spielhaus, die Vereine, ehrenamtliche Kulturschaffende etc.

Alle diese Einrichtungen und Institutionen sollten nicht nur mehr schlecht als recht über Wasser gehalten werden und so zum Spielball einer verfehlten Finanzpolitik werden, sondern sie müssen auch dann tabu sein, wenn es der Stadt finanziell schlecht geht.

Wo würden Sie denn stattdessen sparen?

LN: Ich würde zunächst einmal alle anderen freiwilligen Ausgaben wie z.B. Neubau oder Erneuerung von Straßen solange zurückstellen, bis der Haushalt konsolidiert ist.

Haben sie dafür ein Beispiel?

LN: Die Umgestaltung der Hauptstraße. Hier sind, obwohl allen Entscheidungsträgern klar war, dass sich die Stadt damit überschuldet, zweistellige Millionenbeträge geflossen, obwohl es auch preiswertere Lösungen zur Verkehrsberuhigung gegeben hätte.

Waren Sie denn gegen eine Umgestaltung der Hauptstraße?

LN: Ganz und gar nicht. Aber Alles zu seiner Zeit und man muss es sich leisten können.

Kein Privatmensch würde auf die Idee kommen, sein Grundstück neu zu pflastern, wenn er gerade seinen Arbeitsplatz verloren hätte. Heiligenhaus muss finanziell erst einmal wieder gesunden.

Was meinen Sie mit finanzieller Gesundung?

LN: Heiligenhaus ist finanziell todkrank. Da ist auf der Ausgabenseite große Zurückhaltung angebracht.

Was wollen Sie dagegen unternehmen?

LN: Auf jeden Fall würde ich nicht so weitermachen wie der bisherige Beigeordnete Beck, der ja gleichzeitig Kämmerer ist: Auf Pump Geld ausgeben und Steuern erhöhen, damit man in der Öffentlichkeit als Macher und Gestalter glänzt, kann jeder. Seit 2008 hat Beck 52 Mio € Rücklage (also das gesamte bis dahin Gesparte) durchgebracht und zeitweise Kreditschulden von über 40 Mio € angehäuft. Zusätzlich brauchte er einen Dispokredit von über 70 Mio €, um über die Runden zu kommen. Das Heiligenhaus nicht pleitegegangen ist, verdankt man nur den seit 10 Jahren stetig gesunkenen Zinsen. 1% Zinserhöhung würde uns sofort wieder in die Überschuldung bringen und es müssten weitere Steuererhöhungen zur Rettung erfolgen. Steuern sollten nur erhöht werden, um eine Überschuldung zu verhindern und die genannte Infrastruktur zu erhalten, und nicht um weitere kostspielige freiwillige Projekte durchzuführen, die durchaus verschoben werden können. Er führt sich auf wie einer dieser unseriösen Bundesliga-Bosse, die auf Teufel komm raus Spieler für viel Geld verpflichten, um aufzusteigen oder einen Titel zu gewinnen und bei Misserfolg ihren Verein in die Insolvenz treiben.

Was wollen Sie denn noch anders machen?

LN: Mein Credo ist Bürgerinformation, Bürgerwille, Transparenz und finanzielle Gesundung!

Was würde das bedeuten?

LN: Meine Aufgabe als Bürgermeister ist nicht der Chef der Bürgerschaft zu sein, sondern deren Mehrheitswillen durchsetzen.

Was wäre dazu nötig?

LN: Der Rat der Stadt und der Bürgermeister werden grundsätzlich für fünf Jahre gewählt. Daraus lässt sich nicht ableiten, dass 32 Ratsmitglieder und der stimmberechtigte Bürgermeister, den Bürgerwillen über den gesamten Zeitraum repräsentieren. Gerade auf kommunaler Ebene sollten Entscheidungen von der Bürgerschaft immer wieder neu legitimiert werden.

Wie soll das geschehen?

LN: Da gibt es viele Möglichkeiten.

Welche wären das?

LN: Da gibt es den Ratsbürgerentscheid (siehe Info-Kasten) als formales Mittel, das z.B. gleichzeitig mit anderen turnusmäßigen Wahlen durchgeführt werden kann. Dann Bürgerbefragungen und Meinungsumfragen, die auch online durchgeführt werden könnten und damit ein sehr kostengünstiges Instrument darstellen, die Bürgerschaft zu befragen.

Wo ist die Grenze zu ziehen? Worüber sollte der Rat noch alleine entscheiden und wann sollten die BürgerInnen befragt werden?

LN: In der Regel merkt man deutlich, wenn eine öffentliche Diskussion um ein Thema entflammt. Spätestens aber wenn der Rat uneins ist oder nur noch mit knappen Mehrheiten eine Entscheidung trifft.

Haben Sie ein Beispiel aus den letzten Jahren?

LN: Der Umbau der Hauptstraße ist so ein klassisches Beispiel. Es gab sogar eine erfolgreiche Unterschriftensammlung für ein Bürgerbegehren, das nur an der Formalie gescheitert ist, dass zum Zeitpunkt der Einreichung die Hauptstraße noch nicht im Besitz der Stadt Heiligenhaus war. Der klassische Fall für einen Ratsbürgerentscheid um ein Anliegen, das aus formalen Gründen nicht zulässig war, aufzugreifen.

Warum ist das nicht geschehen?

LN: Weil der Bürgermeister und auch die Fraktionen von CDU, FDP und SPD offensichtlich Angst haben, Entscheidungen aus der Hand zu geben.

Also Schiss vor der eigenen Bürgerschaft?

LN: So kann man es ausdrücken.

Und was meinen Sie mit Transparenz?

LN: Dass alle Fakten für alle Betroffenen frühzeitig auf den Tisch kommen und es nicht Fraktionen und Ratsmitglieder 1., 2. und 3. Klasse gibt oder die Bürgerschaft von Entscheidungen überrascht wird.

Wie macht sich so etwas bemerkbar?

LN: Dass man manche Sachen gar nicht oder nur per Zufall erfährt. Dass der Bürgermeister Informationen – ich drücke es mal vorsichtig aus – filtert.

Haben Sie ein Beispiel?

LN: Da bewirbt sich ein Discounter für die ehemalige Filiale von Netto im Untergeschoss des Rathauscenters am Basildonplatz. Einzige Bedingung: Er fordert einen exklusiv reservierten Parkplatzbereich auf dem Basildonplatz. Da wird kein Ausschuss oder der Rat nach seiner Meinung gefragt, sondern einsam entschieden und die Bewerbung abgelehnt.

2. Beispiel: Der Beigeordnete Beck, zuständig für den Schulbereich, führt hinter dem Rücken von Rat und Ausschüssen finale Gespräche mit einer Schulleitung und Kindergartenträgern, um eine ganze Schule umziehen zu lassen und lanciert das Ganze über einen Presseartikel als beschlossene Sache.

3. Beispiel: Es wird mit allen Mitteln verhindert, dass die Zukunft des Heljensbads in öffentlichen Ausschüssen, wie dem für Bildung und Sport, beraten wird. Stattdessen wird ein nichtöffentliches Gremium installiert.

Apropos: Wie stehen Sie denn zum Heljensbad?

LN: Wir haben ein Hallen- und Freibad mit allen Möglichkeiten, das von mehr als 100.000 Menschen jährlich genutzt wird. Keine andere Einrichtung in Heiligenhaus hat einen größeren Zulauf. Für den Schul- und Vereinssport ist es unverzichtbar. Dazu kommt die DLRG mit ihrer Schwimmausbildung. Wir alle beklagen, dass es immer mehr Nichtschwimmer gibt. Für mich ist klar, das Bad muss mit all seinen Möglichkeiten erhalten werden. Die Frage ist nur Alternative 1: renovieren und technisch auf den neuesten Stand bringen und damit für die nächsten 20 Jahre Ruhe zu haben oder Alternative 2: Neu bauen (z.B. ein Allwetterbad) wobei Bedingung ist, dass alle vorhandenen Nutzungen beibehalten werden, selbstverständlich aber neue dazukommen dürfen. Ich werde mich dafür einsetzten, dass am Ende dieses Prozesses diese beiden Alternativen in einem Ratsbürgerentscheid den Heiligenhauser Bürgern zur Entscheidung vorgelegt werden.

Dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Bürgermeisterkandidatur

LN: Danke!